Ich hatte die Gelegenheit, zusammen mit meiner Familie nach Guatemala zu reisen und dabei mehr über Kaffee in Guatemala zu erfahren. Zeitlich war es aufgrund der Regenzeit im Juli für einen Origin Trip zwar etwas riskant, aber die wenigen Regentage haben unsere Begeisterung für dieses Land nicht getrübt.
Das Erste, das mir auffiel: Kaffee wächst wirklich überall – und ich meine wirklich überall. Der Boden und das Klima sind so perfekt für Kaffee geeignet, dass wir Kaffeepflanzen in den Hauptstrassen der Grossstadt sahen, direkt vor unserem Hotel in Antigua und sogar auf unseren Wanderungen rund um Tikal und Atitlán.
Specialty-Coffee-Szene
Eine weitere Entdeckung: Specialty Coffee ist hier nicht nur ein Exportgut – die Leute trinken Spezialitätenkaffee auch selbst. In fast jedem Café, das wir besuchten, wurden Bohnen aus Guatemala angeboten. Importierte Bohnen fanden wir nur selten. Das heisst, dass ein guter Teil der hochwertigen Kaffees im Land bleibt, statt exportiert zu werden – ganz anders als in vielen anderen Anbauländern.
Und: Viele Cafés rücken Bohnen aus ihrer eigenen oder aus umliegenden Regionen ins Zentrum. Vielleicht spielt Logistik oder Preis eine Rolle, aber für uns wirkte es wie ein Zeichen von Stolz: den Geschmack ihrer Region, ihre Arbeit oder eine neue experimentelle Verarbeitung mit allen zu teilen, die ihr Café besuchen.
Ernte & Klima in Guatemala
Guatemala bietet ideale Bedingungen für Kaffee. Die Kombination aus vulkanischem Boden, hohen Lagen und vielfältigen Mikroklimata sorgt dafür, dass jede Region ein eigenes Geschmacksprofil hat. Wer am Fuss eines aktiven Vulkans anbaut, profitiert von besonders mineralreichen Böden – das gibt den Kaffees eine unverwechselbare Charakteristik: komplex und lebendig. Von den grünen Hügeln Huehuetenangos bis zu den Vulkanhängen Antiguas – das Terroir zeigt sich in jedem Geschmacksprofil.
Die Haupternte dauert in der Regel von November bis März, je nach Region und Höhe verschieben sich die Zeiten. Auf tieferen Lagen wird früher geerntet, auf höheren Lagen kann es bis in den Frühling dauern. Der Klimawandel zeigt aber zunehmend seinen Einfluss. Diese gestaffelte Ernte bedeutet, dass über mehrere Monate hinweg frischer Kaffee gepflückt, verarbeitet und verschifft wird – ein Grund, warum Guatemala konstant auf dem Specialty-Markt präsent ist. Die «washed»-Verarbeitung dominiert noch immer, doch immer mehr Produzierende experimentieren mit Natural- oder anaeroben Methoden.
Guatemala City
Ein Highlight der Reise war der Besuch bei unserer Importpartnerin Primavera, gegründet von Nadine Rasch. Zusammen mit Qualitätsspezialist Seiner Mérida hiess sie meine Familie willkommen – frisch aus Genf zurück, wo wir uns schon an der World of Coffee getroffen hatten.
Primavera arbeitet eng mit ihrer guatemaltekischen Schwesterfirma La Central de Café zusammen, die die Vorbereitung, den Export und die Unterstützung für Produzierende vor Ort übernimmt. La Central betreibt eine solarbetriebene Dry Mill, Lagerhäuser und ein Cupping-Labor in Huehuetenango. Zum Team gehören Agronom*innen, Logistik-Spezialist*innen und Q-Grader, die während der Ernte Kaffees cuppen und bewerten.
Über La Central verbindet Primavera Röster*innen mit guatemaltekischen Produzierenden – transparent, rückverfolgbar und fair bezahlt. Während Primavera Green Coffee den Import steuert, hält La Central die starke lokale Präsenz aufrecht: Unterstützung der Farmer, Verarbeitung der Kaffees und Vorbereitung für den Export.
Seit fünf Jahren beziehen wir unseren T’xayalaj über Primavera. Leider konnten wir die Farm von María Pérez Morales in Aldea San Marcos, Jacaltenango, Huehuetenango dieses Mal nicht besuchen – beschädigte Strassen und die politische Lage machten es unmöglich. Aber ich konnte ihre neue Ernte während eines Cuppings probieren. Ich habe ihren Kaffee sofort erkannt – an der unverwechselbar cremigen Textur, die wir mittlerweile mit T’xayalaj verbinden.
Weitere spannende Cafés in Guatemala City:
- Teco Coffee House
- Mano’s Coffee
- Rojo Cerezo Coffee
- La Central Coffee Roasters (gegründet von Nadine Rasch von Primavera)
Atitlán und Umgebung
Schliesslich erkundeten wir mehr von Guatemala: Tikal, Cobán und Panajachel. Dort traf ich Guatemalas Latte-Art-Champion Jeshúa von Hidden Coffee. Voller Energie und Begeisterung präsentierte Jeshua uns Kaffees, geröstet von Baraka Coffee Roasters in San Pedro La Laguna.
Ein weiteres Highlight war Space Coffee Roasters in Santiago Atitlán. Dort nahmen wir an einem Cupping mit den Röster*innen teil und probierten spannende, experimentelle Kaffees – vielen Dank an Diego Mendoza für den grossartigen Besuch!
Weitere Lieblingscafés in der Gegend:
- Circles Caffé & Bakery
- Nativo Café
- Chali Café
Antigua
Antigua war magisch: Specialty-Cafés an jeder Ecke und weitläufige Kaffeeplantagen am Fuss des aktiven Vulkans Fuego. Während unseres Aufenthalts wurden mehr als 86 Erdbeben registriert, und wir konnten den Vulkan täglich rauchen sehen. In Guatemala City und Antigua gab es auch erhebliche Schäden – eine für uns belastende Situation. Gleichzeitig waren wir dankbar für die Begegnung mit Lucia Solis und ihrem Mann Nick, die uns auf der wunderschönen Farm willkommen hiessen, wo sie derzeit leben.
Lucia und Nick führten uns über das Gelände, zeigten Fermentationstanks, Trockenbetten und das eindrucksvolle Cupping-Labor, in dem Lucia auch ihre Fermentations-Camps veranstaltet. Wir erfuhren mehr über ihre Methoden, darunter Experimente mit Hefe und kontrollierten Fermentationen. Lucia berät nicht nur Farms weltweit, sondern leitet auch jährliche Fermentations-Camps, die Produzierende und Röster*innen aus aller Welt anziehen. Ausserdem hostet sie den Podcast Making Coffee, in dem bereits einige unserer Partner*innen wie Pranoy Thipaiah und Vava Angwenyi zu Gast waren.
Sie nahmen sich viel Zeit, beantworteten meine unzähligen Fragen und präsentierten uns ein vielfältiges Cupping – von Kaffees aus ihrem Fermentations-Camp in Kenia bis hin zur aktuellen guatemaltekischen Ernte. Wir verliessen die Farm voller Dankbarkeit für ihre Zeit, Grosszügigkeit und ihr Wissen.
Familiengeschichte
Für mich hat diese Reise auch eine persönliche Ebene. Meine Grossmutter, meine Grosstante und mein Grossonkel sind in Guatemala auf einer Finca namens Seamay (Land des Bambus) aufgewachsen, bis 1990. Mit meinem Vater dort zu sein, Geschichten zu teilen und Kaffee von Orten zu probieren, die er aus seiner Kindheit kannte – eine für mich unvergessliche Erfahrung. Nachdem mein Grossonkel verstorben war, wurde die Farm leider verkauft. Doch die Cousins meines Vaters leben weiterhin in Antigua und bewahren diese Erinnerung.