Ende 2022 beschlossen wir, eine Reise nach Mexiko zu machen, um einen neuen Kaffee für unser Sortiment zu suchen. Zuvor standen wir bereits mit verschiedenen Export-Unternehmen aus Mexiko in Kontakt, legten fest, mit wem wir für den Export zusammenarbeiten würden und schränkten die Auswahl auf eine Region ein. Via New York führte unser Weg nach Mexiko, wo wir nach ein paar Tagen an der Küste schliesslich Oaxaca de Juárez erreichten, die Hauptstadt des Bundesstaates Oaxaca. Hier trafen wir uns mit Laura von Ensambles, einem mexikanischen Unternehmen, das Rohkaffee exportiert und selbst auch eine Farm betreibt. Bei einem Bier in der Hotellobby erzählte uns Laura schon so einiges über Ensambles, die Philosophie des Unternehmens und die Kaffeegegend der Sierra Mazateca. Sie kam gerade aus der Sierra Mazateca zurück, in der wir die nächsten Tage mit ihren Kolleg*innen verbringen würden.
Die Sierra Mazateca ist eine Bergkette im Norden des Bundesstaates Oaxaca. Die bedeutendste Stadt der Region, Huautla de Jiménez, erlangte einige Aufmerksamkeit, nachdem Bob Dylan, Mick Jagger und Albert Hofmann (Entdecker des LSD) an den Ort reisten und die mazatekische Schamanin María Sabina besuchten. Bis heute finden sich im kleinen Städtchen, das meistens nur kurz Huautla genannt wird, überall Hinweise und Denkmäler an María Sabina und die psychoaktiven Pilze. Viele ausländische Besucher*innen gibt es hier nicht. Wer hierhin kommt, tut dies höchstwahrscheinlich des Kaffees wegen, für die Zauberpilze – oder wegen dem Höhlensystem «Sistema Huautla», das zu den tiefsten der Welt gehört.
SIERRA MAZATECA
Die Menschen in dieser Gegend sprechen Mazatekisch und obschon viele auch Spanisch sprechen, gibt es viele Kaffeeproduzierende, bei denen das nicht der Fall ist. Mazatekisch ist eine aussergewöhnliche Sprache, in der sich die Leute nicht nur mit Worten, sondern auch mit Pfeifen verständigen und so ganze Unterhaltungen führen. Das Ganze ist ziemlich ausgeklügelt und interessant zum Zuhören.
Die knapp 300 Kilometer von Oaxaca de Juárez nach Huautla legten wir mit unserem Mietauto in etwas mehr als fünf Stunden zurück. Der grösste Teil der Route ist wunderschön, fast durchgehend hat man eine tolle Aussicht auf verschiedene Täler, kommt an Kaktuswüsten vorbei und dann plötzlich wieder an komplett anderen Landschaften mit einer sehr grünen Vegetation. Wir kamen am Mittag in Huautla an und nach einem kurzen Mittagessen zur Stärkung und dem Bezug unseres Zimmers holte uns Miguel von Ensambles ab, um auch gleich die ersten Kaffeeproduzierenden zu besuchen. Wir trafen uns zum ersten Mal und so wurde die kurze Fahrt genutzt, um uns etwas kennenzulernen, bevor wir in einer kleinen Gemeinde namens Xochitonalco ankamen. Hier erwarteten uns um die 15 Kaffeeproduzierende, grösstenteils fortgeschrittenen Alters, sowie Osiris, die ebenfalls für Ensambles arbeitet. Alle zusammen gingen wir durch verschiedene, teils dicht bewachsene und an steilen Hängen gelegene Kaffeefelder, die teilweise mehr an Wälder als an Felder erinnerten.
MIGUEL & OSIRIS
Es wurde schnell klar, dass Miguel eine grosse Leidenschaft für seinen Job, die Kaffeeproduktion, die Landschaften dieser Region und Mexiko im Allgemeinen hat. Er erzählte uns viel über Kaffee in Mexiko sowie Mexiko als Land und war ebenfalls sehr interessiert daran, mehr über die Schweiz zu erfahren. Das ganze Jahr ist er mit seinem Auto in den verschiedenen Regionen Mexikos unterwegs, in denen Ensambles tätig ist, und lebt jeweils ein paar Wochen am einen und dann am nächsten Ort. Tagtäglich ist Miguel auf den Kaffeefarms im ganzen Land und kennt viele der Bauern und Bäuerinnen schon seit mehreren Jahren, gibt laufend Tipps, wenn er mit ihnen in den Kaffeebäumen unterwegs ist, zum Beispiel zum Erkennen von Pilzbefall oder zur idealen Zusammensetzung der Erde für Setzlinge. Mit den Produzierenden vereinbart er auch den jeweiligen Preis für den Verkauf eines Kaffees.
Osiris lebt in Huautla und kennt die Gegend in-und auswendig, sie ist auch hier aufgewachsen. Sie ist täglich mit den Produzierenden in der Region unterwegs und weiss immer Bescheid, wer gerade in welchem Stadium der Ernte oder Verarbeitung des Kaffees ist. Wie Miguel, gibt auch Osiris ihr Wissen zum Anbau von Kaffee ständig an die Produzierenden weiter, nimmt ihre Probleme auf und leitet diese intern und extern an verschiedene Stellen weiter. Während Miguel einen Überblick über die verschiedenen Kaffee-Gegenden im Land hat, ist Osiris die direkte Ansprechperson bei Ensambles für die Produzierenden in der Sierra Mazateca. In den anderen Kaffeeregionen, in denen Ensambles tätig ist, wie zum Beispiel Chiapas, arbeiten andere Personen in derselben Funktion wie Osiris.
ENSAMBLES
Ensambles hat seinen Sitz in Veracruz, wo das Unternehmen seine eigene, biodynamische Kaffeefarm «El Equimite» betreibt, die ebenfalls hervorragenden Kaffee produziert. Vom Hafen von Veracruz aus werden alle Kaffees nach Europa verschifft, was diesen Standort zu einem grossartigen Standort in Mexiko macht. Biodiverse Landwirtschaft und Praktiken im Einklang mit der Natur stehen im Mittelpunkt der Aktivitäten von Ensambles. El Equimite dient als eine Art Modellfarm und als Ausbildungsort sowohl für zahlreiche Produzenten, mit denen das Unternehmen zusammenarbeitet, als auch für Kaffeefachleute aus aller Welt, die zu Besuch kommen.
Ensambles exportiert Kaffees aus verschiedenen Teilen von Oaxaca, Chiapas, Veracruz und Guerrero. Die Produktion läuft in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich ab. In der Sierra Mazateca bewirtschaften viele Bauern und Bäuerinnen nur wenige Kaffeebäume und produzieren jährlich nur um die 100kg Rohkaffee oder auch weniger. Sie sind oft in Kooperativen oder Gemeinden organisiert und verkaufen ihren Kaffee gemeinsam, um etwas grössere Mengen anbieten zu können. Auch diejenigen, die etwas mehr produzieren, verfügen überverhältnismässig kleine Flächen an Land und können dieses weniger dicht mit Kaffeebäumen bepflanzen, als in vielen anderen Kaffeeregionen üblich. Während der Ernte betreibt Ensambles in Huautla ein kleines Lab für Cuppings und Qualitätssicherung.
XOCHITONALCO
Am ersten Tag in Xochitonalco gingen wir durch die kleinen Parzellen von verschiedenen der anwesenden Produzierenden. Sie erzählten uns etwas darüber, welche Varietäten sie anbauten, welche davon mehr Probleme verursachen und welche weniger, oder mit welchen Problemen sie zu kämpfen hatten. Auch stellten sie Fragen über das Rösten und die Kaffees, dir wir aus anderen Ländern einkaufen. Die Produzierenden waren sehr interessiert und wollten viele Fotos mit uns machen und obschon viele von ihnen auch nicht viel besser Spanisch sprachen als wir und wir kein Mazatekisch, konnten wir uns über zahlreiche Themen austauschen.
CARO
Caro ist eine der Produzentinnen in dieser Region, die mit ihrer Familie etwas mehr Kaffee produziert als die meisten anderen in der Gemeinde. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen führt sie auf ihrem Land auch Experimente durch, um zum Beispiel den Anbau von bestimmten Varietäten in diesem Klima oder verschiedene Arten von Erden im direkten Vergleich zu testen. Im Haus von Caro wurden wir zum Schluss des Besuchs in der Gemeinde zu Kaffee und süssem Gebäck eingeladen, wo wir auch weitere Mitglieder ihrer Familie trafen.
Kaffeeanbau
Viele Kaffee-Anbaugebiete, die wir in der Vergangenheit besuchten, waren ebenfalls sehr biodivers, hügelig, an steilen Hängen, waldähnlich, doch hier war alles noch etwas wilder, natürlicher, organischer. All das macht die Ernte sehr arbeitsintensiv und zudem kann hier aufgrund der Landschaft relativ wenig Kaffee pro Hektar angebaut werden. Dies wiederum resultiert in einem ziemlich grossen Aufwand für eine relativ kleine Menge an Kaffee, was sich natürlich auch in einem höheren Preis widerspiegeln sollte.
Weitere Farms
Am nächsten Tag frühstückten wir mit Miguel, Osiris und einer Studentin, die in Veracruz an Kaffee-Projekten mit Ensambles zusammenarbeitet, bevor wir in Miguels Pickup Mazatlan Loma Alta ansteuerten, wo uns eine Gruppe von Produzierenden erwartete. Sie führten uns durch dicht bewachsene Kaffeewälder an steilen Hängen herab und an anderen Stellen wieder hoch. Wie schon am Tag zuvor in Xochitonalco wurden wir mit reichlich Zitrusfrüchten von ihren Bäumen beschenkt, manche davon bitter, manche süss, von vielen hatten wir noch nie gehört. Wir wurden erneut in das Haus einer der Familien eingeladen.
Immer wieder fiel uns die wunderbare Gastfreundschaft der Menschen in der Sierra Mazateca auf.Im Haus von einer der Familien wurden wir zu einer Erfrischung und zu einem Mittagessen eingeladen. Die Frau des Hauses zauberte in kürzester Zeit ein leckeres Mole-Gericht für ca. acht Personen hin. Nach dem Mittagessen verabschiedeten und bedankten wir uns, ehe sich Miguel noch mit zwei der Produzenten über Details zur idealen Zusammensetzung der Erde für ihre Jungpflanzen austauschte.
Für uns stand als nächstes ein kleines bisschen Sightseeing auf dem Plan: Miguel und Osiris brachten uns zum bekanntesten Wasserfall der Gegend, der «Cascada del Puente de Fierro». Die nächste, nochmals kleinere Gruppe von Produzierenden besuchten wir in Santa Cruz Acatepec, mit der wir ebenfalls verschiedene Abschnitte ihres Landes abliefen.
LLANO DE AGUA
Nach weiteren Aktivitäten führte uns der letzte Farmbesuch an unserem letzten Tag in Huautla in ein Quartier namens Llano de Agua, dieses Mal zu einer Farm, die von einer einzigen Familie betrieben wird. Etwas grösser als andere Produzierende in der Gegend, ist die Finca El Sótano im internationalen Vergleich nach wie vor sehr klein. Geführt wird sie von Maricela Esperón, einer Produzentin Mitte Dreissig. Nebst ihr waren während unserem Besuch auch ihr Mann, ihre zwei Töchter, ihre Eltern und ein weiteres Familienmitglied da. Die Ernte hatte vor Kurzem begonnen und sie hatten schon mit der Trocknung des als Natural verarbeiteten Kaffees begonnen.
MARICELA ESPERÓN
Vor einiger Zeit wurde die Produktion auf El Sótano vom Washed-Verfahren auf die Natural-Methode umgestellt, was in dieser Region mit ihren vielen Niederschlägen, die das Trocknen des naturbelassenen Kaffees ziemlich schwierig machen, äusserst ungewöhnlich ist. Maricela hält dennoch daran fest und schafft es so, Kaffee von einer beeindruckenden Qualität zu produzieren. Zuletzt experimentierte die Familie auch mit anaeroben Fermentation. Die äusserst sympathische Familie arbeitet sehr präzis, um die Qualität des Kaffes von Jahr zu Jahr konstant hoch zu halten. Als Miguel bereits ankündigte, dass wir langsam wieder aufbrechen würden, wurde uns erneut ein Mittagessen angeboten, das wir natürlich nicht ausschlagen konnten, waren doch die älteren Frauen der Familie bereits am kochen. Wir genossen die sehr gute Mole und Rührei mit Chillies, dazu wunderbare, frisch gemachte Tortillas. Vor unserer Abreise warfen wir einen letzten Blick auf die tolle Aussicht, die sich vom Dach des Hauses bietet, auf dem auch der Kaffee getrocknet wird.
Als wir von Maricelas Farm El Sótano abreisten, verabschiedeten wir uns auch gleich von Miguel und Osiris und nahmen mit unserem Mietauto direkt den Rückweg nach Oaxaca de Juárez auf uns. Von da aus ging es bald darauf schon via Mexico City zurück in die Schweiz. Die Arbeit von Maricela und ihrer Familie hatte uns bei unserem Besuch bereits sehr beeindruckt. Genau so beeindruckten uns einige Monate später die Muster, die wir zugeschickt bekamen. Wir zögerten nicht lange und kauften diesen tollen Kaffee, der inzwischen in unserem fixen Sortiment steht.
DER KAFFEE
Wir waren vom Kaffee beeindruckt und wir waren beeindruckt von der Farm, ihrer Geschichte und der Motivation von Maricela und ihrer Familie. Die Samples bestätigten die Erwartungen. Der Kaffee von Maricelas Farm El Sótano stammt von den Kaffee-Varietäten Typica, Caturra und Mundo Novo. Als Natural verarbeitet weist er wunderbar fruchtige Aromen auf. Wir denken an Kirschen, Walderbeeren, Trauben oder auch tropische Früchte. Die Fermentation ist klar im Geschmacksprofil erkennbar und gibt diesem Kaffee eine einzigartige Note. Ursprünglich als Espresso geplant, entschieden wir uns spontan, den Kaffee für die Filter-Zubereitung zu rösten. Dennoch schmeckt er auch als Espresso richtig gut.