Travel Report: Specialty Coffee Production in Brazil

Travel Report: Specialty Coffee Production in Brazil

Brazil, Travel Report

Brasilien wird in der Specialty-Coffee-Welt nicht immer so gewürdigt, wie es eigentlich verdient wäre. Oft gilt das Land als Herkunftsland schokoladiger, nussiger und «einfacher» Geschmacksprofile – und wird deshalb gelegentlich von Liebhaber*innen fruchtiger, spritziger und experimenteller Kaffees unterschätzt. Hinzu kommt das Image grosser Monokulturen, das viele mit Brasilien verbinden. Kein Wunder, dass brasilianischer Kaffee manchmal unterschätzt wird.

Aber uns war schon länger klar, dass das nur ein Teil der Wahrheit ist. Seit Jahren arbeiten wir mit Produzierenden wie Otavio, Heron und Paulo Afonso zusammen. Wir wussten, dass uns auf den Farms, die wir besuchen, Nachhaltigkeit, Innovationen und grösste Sorgfalt begegnen würden – genauso wie in jedem anderen Herkunftsland. Trotzdem: Vor unserer ersten Reise nach Brasilien wussten wir nicht genau, was uns im Land selbst erwartet.

Was wir in diesen fünf Wochen erlebten, hat uns tief beeindruckt. Die Menschen, die Natur, das Essen, die Herzlichkeit – es wurde zu einer Reise, die zu den eindrücklichsten unserer bisherigen Kaffeekarriere zählt. Einen grossen Anteil daran hatte das Team von Sancoffee, der Kooperative hinter Santa Clara. Sie haben uns während der ganzen Reise begleitet und unterstützt – ebenso wie die Farmer, die uns auf ihren Farms willkommen hiessen.

In diesem Blogbeitrag blicken wir zurück: auf die Farms, die Menschen und alles, was wir über Kaffee – und über Brasilien – gelernt haben.


Varginha und Fazenda Do Salto


Nach einer Woche in São Paulo mit fantastischem Essen, lebendiger Grossstadtenergie und einem überraschenden 48-Stunden-Stromausfall ging es weiter nach Varginha – dem Handelszentrum des brasilianischen Kaffees. Dort hiess uns Allan von Sancoffee herzlich willkommen. Nach einem Abend mit Pizza und guten Gesprächen brachen wir auf zur Fazenda Do Salto – eine der eindrücklichsten Kaffeefarms, die wir bisher besucht haben.

Otavio, der die Farm leitet, bewirtschaftet 1’700 Hektar Land, davon 900 mit Kaffee und 400 mit geschütztem Wald aus einheimischen Baumarten. Die höchsten Parzellen liegen auf 1’200 m ü. M., wo das kühlere Klima eine Beschattung durch Bäume überflüssig macht. Neben Kaffee baut die Familie auch Soja, Hopfen und Avocados an – und hält rund 150 Pferde, von denen Otavio die meisten mit Namen oder Abstammung kennt.

Was uns besonders beeindruckt hat: die Rolle von Technologie und Innovation. Die Farm nutzt Kesselanlagen, um rotierende Trockner zu betreiben – das spart Holz und sorgt für gleichbleibende Qualität. Jede Ernte beginnt mit Fermentationstests, die in einem Labor sorgfältig ausgewertet werden.

Otavios Begeisterung war spürbar – beim Rundgang über Felder, Maschinenpark und Garten, gemeinsam mit seinem Vater auf der Veranda des kolonialen Farmhauses. Am Abend lud uns Otavio zu einem traditionellen Churrasco ein. Mit dabei: Gabriel von The Coffee Quest, unserem Sourcing-Partner für diesen Kaffee.

Wir kaufen seit fünf Jahren Kaffee von der Fazenda Do Salto. Die Röstung trägt den Namen Otavio und ist in unserem Online-Shop erhältlich.


Fazenda Santa Clara


Paulo Afonso hat eine tiefe Verbindung zu Kaffee. Er wuchs in Varginha auf, seine Familie arbeitete im Kaffeeanbau und auf Farms. Nach einem Ingenieurstudium und der Gründung eines eigenen Unternehmens in Belo Horizonte kaufte Paulo Anfang der 1990er Jahre Land – und begann mit fünf Hektar Kaffee. Heute bewirtschaftet er rund 200 Hektar auf der Fazenda Santa Clara und ist bekannt für seine Naturals.

Sein Fokus liegt auf Präzisionslandwirtschaft und gesundem Boden – eine Basis, um flexibel auf sich verändernde Bedingungen reagieren zu können. Paulos ingenieurtechnischer Hintergrund zeigt sich auch im Management der Farm: Jede Parzelle wird detailliert erfasst und getrackt.

Nachhaltigkeit steht im Zentrum. Paulo erklärte uns stolz, dass sie ihre CO₂-Bilanz nicht aus Pflicht, sondern aus Verantwortungsbewusstsein erheben. Die Farm engagiert sich in Wiederaufforstung und Bodenschutz – und ist tatsächlich CO₂-negativ, das heisst: Sie bindet mehr CO₂, als sie ausstösst.

Seit 2012 ist Santa Clara Teil von Sancoffee. Etwa die Hälfte der Ernte wird exportiert – dank konstant hoher Qualität. Paulo bringt seine Erfahrung nicht nur in den Betrieb ein, sondern auch ins Impact-Programm von Sancoffee, wo er andere Produzent*innen unterstützt.

Gemeinsam mit Allan von Sancoffee und Paulos Tochter Lilian – die ebenfalls im Familienbetrieb tätig ist – erkundeten wir die Farm. Besonders berührt hat uns der Moment, als wir unsere eigenen Drip-Roasters-Kaffeebeutel im Büro der Farm entdeckten. Zum Abschied gab es eine Tasse Kaffee von Rafael, dem Post-Harvest-Manager – dazu das beste Pão de Queijo der ganzen Reise. Paulos Geheimnis für eine gute Tasse Kaffee? Gutes Wasser – genauso wichtig wie bei der Herstellung von Cachaça, wie er schmunzelnd anmerkte. Da sind wir ganz bei ihm.

Santa Clara ist unser einziger Kaffee, den wir das ganze Jahr über anbieten – seit über fünf Jahren. Auch als Abo erhältlich.


Fazenda Canta Galo


Für den Besuch der Fazenda Canta Galo reisten wir nach Campos Altos und verbrachten zwei Nächte bei Heron und seiner Familie. Begrüsst wurden wir mit einem köstlichen Mittagessen und Zeichnungen von Kaffeebäumen, gemalt von den beiden Töchtern.

Heron führte uns über die Farm, zeigte uns junge Geisha-Parzellen, die weitläufigen Trockenplätze und Verarbeitungseinrichtungen – und auch, wie nah ein Waldbrand kürzlich an sein Land herankam. Am Abend erzählte er uns beim Grillieren von seinem Weg zurück zur Farm. Einst Sportlehrer, übernahm er nach dem Tod seines Vaters den Familienbetrieb.

Wir begleiteten Heron durch Campos Altos und besuchten mehrere seiner Parzellen. Auf einer abgelegenerer Fläche beobachteten wir ihn, wie er Bild um Bild seiner blühenden Kaffeebäume machte – die Begeisterung für Kaffee ist ihm auch nach all den Jahren anzumerken.

Bei Comercial Coffee lernten wir das Team kennen, das Heron bei Röstung, Sample-Entwicklung und Qualitätskontrolle unterstützt. Nach dem Cupping mehrerer Lots nahmen wir einige Muster mit – eine Entscheidung, über die wir später während unserer Reise sehr froh waren.

Wir haben nun zum dritten Mal in Folge Kaffee von Canta Galo eingekauft – und freuen uns jedes Jahr aufs Neue.


Sancoffee


Gegründet im Jahr 2000, unterstützt Sancoffee eine Gemeinschaft von Produzierenden in Minas Gerais mit Zugang zu internationalen Märkten, Infrastruktur und Innovation. Wir arbeiten seit über fünf Jahren mit Sancoffee – sie haben uns bereits in der Rösterei und im Café in Bern besucht, und an der World of Coffee sehen wir uns fast jedes Jahr. Umso schöner, nun endlich mit Allan selbst durch die Region zu reisen. Er nahm sich unglaublich viel Zeit für uns, teilte sein Wissen über Kaffee und Kultur – und liess uns spüren, dass wir willkommen sind, auch wenn Sancoffee oft mit deutlich grösseren Kund*innen zusammenarbeitet.

Am Sancoffee-Hauptsitz nahmen wir an einem Cupping teil und besichtigten das hochmoderne Lager mit Sortieranlagen, Klimasteuerung und RFID-gesteuerter Lagerlogistik. Gemeinsam mit Allan besuchten wir ein 12 Hektar grosses Regenerations-Plot – gerade rechtzeitig zur Blütezeit, einem besonderen Moment für alle Kaffeeproduzierenden. Auch ein wiederaufgeforstetes Feld und ein lokaler Kaffee-Wettbewerb standen auf dem Programm. Den Tag liessen wir mit einem Abendessen und guten Gesprächen mit Allan und Sancoffee-CEO Fabricio in Lavras ausklingen.


Até Mais!


Was uns an den besuchten Farms in Brasilien besonders auffiel, war, wie anders sie sich anfühlten im Vergleich zu kleineren Betrieben etwa in Costa Rica, Mexiko oder Panama. Die schiere Grösse war beeindruckend – nicht nur in Hektaren, sondern auch in Infrastruktur, Maschinen und Logistik. Maschinelle Ernte ist hier die Norm, ganz im Gegensatz zur Handpflückung in anderen Ländern. Während auf kleineren Farmen oft Agroforstsysteme oder Mischkulturen dominieren, fanden wir hier grossflächig angelegte Kaffeefelder – allerdings stets flankiert von geschützten Naturwäldern.

Trotz der Grösse fühlte sich die Arbeit nicht industriell, sondern persönlich an. Was uns besonders berührte, war die spürbare Leidenschaft der Produzierenden – ihre Neugier, ihr Stolz, ihre Detailverliebtheit. Viele verfügen über fundierte Ausbildungen in Agronomie oder Ingenieurwesen und bringen dieses Wissen direkt in den Anbau ein. Diese Verbindung von Präzision und Emotion, von Technik und Leidenschaft – genau das macht grossartigen Kaffee aus.

Und schliesslich war da die brasilianische Gastfreundschaft. Wir wurden in privaten Wohnungen und Häusern beherbergt, mit liebevoll zubereiteten Mahlzeiten verwöhnt und stets umsorgt – so, dass wir uns in Brasilien wirklich willkommen fühlten.

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